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KI – und wann endlich werden die Urheber entlohnt?

Walther Stonet: Als Autor schließe ich mich dem nachfolgenden Aufruf an!

“Mit großer Sorge beobachten wir Schriftstellerinnen und Schriftsteller im SYNDIKAT e. V., dem Verein  zur Förderung der deutschsprachigen Kriminalliteratur das Stocken der Verhandlungen zum EUROPEAN AI ACT, mit dem es eigentlich gelingen sollte, den Einsatz von sogenannter künstlicher Intelligenz zu regulieren und den von der Europäischen Kommission selbst formulierten Ansatz umzusetzen, mit KI-Systemen auf Exzellenz und Vertrauen zu setzen, um Forschung und industrielle Kapazitäten zu stärken und gleichzeitig Sicherheit und Grundrechte zu gewährleisten. https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/european-approach-artificial-intelligence

Dass es neben Frankreich und Italien gerade Deutschland ist, das im Falle einer Regulierung Wettbewerbsnachteile für die hiesige Wirtschaft befürchtet, mutet für uns als Künstlerinnen und Künstler befremdlich an.

Das ist befremdlich, da es bei der KI-Regulierung durch die EU um mehr geht als die Förderung von KI-Forschung und -Unternehmen in der EU. Es geht auch darum, den Input –  das ‚Lehrmaterial‘ – für diese KI-Systeme nicht weiterhin als (kosten)frei verfügbare Masse zu betrachten, sondern als werthaltige Güter von uns Kunstschaffenden, deren Nutzung zu honorieren ist.

Ja, Kunst muss honoriert werden!

Dass der Grundstoff, aus dem etwas hergestellt wird, bezahlt werden muss, ist ein üblicher und generell geübter Vorgang. So wird, wenn auch eher schlecht als recht, der Rübenbauer für seine Rüben entlohnt, wenn er sie dem Zuckerproduzenten zur Zuckerherstellung verkauft. Gleiches gilt beim Hausbau, wo das Material selbstverständlich bezahlt wird. Den Kraftstoff für unsere Autos bezahlen wir ebenso, wenngleich gelegentlich zähneknirschend wegen des Preises, wie das Deutschlandticket und den Rechtsanwalt. Wie wir sehen, gibt das nicht nur für Waren, nein, auch für stofflose Dienstleistungen.

Bei Sprach- und Bildkunst ist das anders. Alle mathematischen Modelle von KI sind absolut wertlos und quasi sinnfrei, wenn man ihnen nichts zu verarbeiten, zu trainieren oder – bildlich formuliert – „zu fressen“ verabreicht. Ohne das Vorprodukt menschlichen Geistes sind sie strohdumm und absolut nutzlos. Das Training dieser Modelle beginnt bereits im Forschungsstadium. Doch nach der Forschung beginnt die Ökonomisierung und Monetarisierung.

Eigentlich ist das Urheberrecht, auch das der EU, eindeutig. Wer ein Werk eines Geistesschaffenden, Bildkünstlers, Musikers oder Autors benutzt – und zwar ganz gleich wofür – muss dafür bezahlen. Jeder und immer. Für das Dinkelbrötchen bezahlen wir den Bäcker, dieser für das Mehl die Mühle und die Mühle wiederum den Bauer für das Getreide. Daran rührt niemand. Sollte man meinen.

Bei der aktuellen Regulation des Einsatzes und der rechtlichen Rahmenbedingungen rund um die Künstliche Intelligenz (KI) geht es durchaus nicht nur darum, was mit KI alles Gutes und Schlechtes getan werden kann. Es geht ganz besonders auch darum, wer von ihrer Nutzung wirtschaftlich profitiert. Dabei sind drei Felder voneinander zu unterscheiden:

  1. Wann werden die Rechtegeber finanziell ausgeglichen und wie, deren Werke für das Training der KI-Modelle herangezogen wurden, ohne sie überhaupt auch nur um Erlaubnis zu fragen;
  2. wie werden die Häcksel-, Verwurstungs- und Mimikry-Kopien gekennzeichnet, die von der KI für ihre Nutzer als Bild, Video oder Text erzeugt werden;
  3. wie werden – im Falle von Büchern, Filmen, Videos – die entlohnt, deren Digitaler Zwilling an ihrer Stelle eingesetzt wird; wie werden Lizensierung und Genehmigung gewährleistet, und wie erfolgt die Kennzeichnung solcher Filme und Videos, um sie von Werken zu unterscheiden, die echt sind.

Fragen über Fragen, die meisten davon für jeden Künstler und jede Künstlerin existenzieller Natur, die genau in der jetzt unterbrochenen KI-Regulation der EU geregelt werden sollten. Grund: die Förderung der europäischen KI-Forschung und der KI-Branche. Der Staat, in diesem Fall drei führende Mitglieder EU, wird zum Mittäter beim Diebstahl dessen, wovon die Kunstschaffenden ihr Dasein fristen und das nur sie aufgrund ihres Talents, ihrer Kreativität und Schaffenskraft, oft nach jahre- und jahrzehntelanger Ausbildung und Übung zur Spitzenleistung gebracht, herstellen können: der Essenz ihres Tuns, von dem sie leben wollen und, da dazu berufen, müssen. Was sie schaffen, ist die Basis unserer Kultur und unserer Zivilisation.

Ja, das ist unglaublich und nicht hinnehmbar. Leider ist das schier Unglaubliche wahr. Und wieder soll das schwächste Glied in der Nahrungskette die Zeche bezahlen. Verborgen wird das Ganze hinter dem notwendigen Schutz der KI-Industrie der EU, die sicherlich aus ganz anderen Gründen in Bedrängnis geraten ist als der drohenden Entlohnung der Kunstschaffenden, ohne deren Werke es sie gar erst geben würde. Uns, die Schwächsten, aber lässt man ohne Schutz.

Wir Schriftstellerinnen und Schriftsteller fordern Sie als Abgeordnete(n) auf, sich zur Werthaltigkeit von Kunst zu bekennen und mit und gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Nutzung unserer geistigen Arbeit auch durch sogenannte Künstliche Intelligenz urheberrechtlich geschützt wird. Setzen Sie sich zusätzlich dafür ein, dass es einen EUROPEAN AI Act gibt, der dem Rechnung trägt:

Künstler müssen gefragt werden, ob ihre Werke genutzt werden dürfen und dafür auch eine angemessene Vergütung erhalten.

Mit freundlichen Grüßen
Vorstand des Syndikat e.V.

Dieser Brief wurde von mir an 15 Bundestags- und EU-Parlamentsabgeordnete Anfang Dezember 2023 versendet. Ich habe von vier der Parlamentarier Antworten erhalten. Keiner dieser Abgeordneten gehörte den Regierungsfraktion der amtierenden Bundesregierung an. Mit einem EU-Abgeordneten findet am 21.02. eine Websession statt. Ich werde vom Ergebnis berichten.
Walther Stonet.

Urheberrechtsnachweis der Bilder:
Der arme Poet von Carl Spitzweg (gemeinfrei). Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_arme_Poet#/media/Datei:Carl_Spitzweg_-Der_arme_Poet,(ehm.Alte_Nationalgalerie)-_WGA21687.jpg
https://www.wga.hu/frames-e.html?/html/s/spitzweg/poorpoex.html

Gerne würde ich 2 oder 3 Dollar mehr je Monat für die Nutzung bezahlen, wenn sichergestellt wäre, dass dieser Aufschlag bei den Kunstschaffenden ankäme, die für das Training der Bild-KI benutzt wurden. Ich nehme an, dass geht den meisten Kunden von Discord zu, das den Service Midjourney anbietet.

2 thoughts on “KI – und wann endlich werden die Urheber entlohnt?

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